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Publius Ovidius Naso

Durch seine formale Meisterschaft, seinen urbanen Witz und seine schöpferische Phantasie avancierte er zum Klassiker der lateinischen Literatur. Auch als einer der großen Elegiker (siehe Elegie) wirkte er stark auf spätere Generationen nach.

 

Leben

Ovid wurde am 20. März des Jahres 43 v. Chr. in Sulmo (dem heutigen Sulmona) in der Nähe von Rom geboren. Aus einer wohlhabenden Adelsfamilie stammend, studierte er zunächst Rhetorik. Offenbar war er für eine Laufbahn als Beamter oder Anwalt vorgesehen: So jedenfalls schildert es seine poetische Lebensbeschreibung Tristia. Nach dem Tod des Vaters ging Ovid nach Athen, um seine Ausbildung abzuschließen, wandte sich aber bereits frühzeitig der Dichtkunst zu. Später reiste er mit seinem Freund, dem Dichter Aemilus Macer, durch Asien und Sizilien. Als wohlhabender Erbe führte er ein sorgenfreies, teils exzentrisches Leben. In Rom, wo er bis zu seinem 50. Lebensjahr blieb und einige öffentliche Ämter innehatte, stand er in der Gunst zahlreicher Mäzene, zu denen auch Kaiser Augustus gehörte. Nach dem Tod von Horaz wurde Ovid zum bekanntesten Autor Roms: Im Jahr 8 n. Chr. jedoch mußte er nach Tomis (dem heutigen Constanta in Rumänien) ins Exil. Ovid selbst nannte als Grund die Veröffentlichung seiner Ars amatoria, eines Langgedichtes über die Liebe, das dem Kaiser moralisch verwerflich erschienen sei. Wahrscheinlicher ist aber, dass er in der Gunst des Augustus sank, da er von einem Skandal Kenntnis hatte, in den die Enkelin des Kaisers verwickelt war. Ovids Ersuche um Begnadigung blieben erfolglos: Etwa 17 n. Chr. starb er als Ehrenbürger der Stadt Tomis ebendort.

 

Frühwerk

Mit seinen ersten Werken setzte Ovid die elegische Tradition der Dichter Properz und Albius Tibull fort, die er beide kannte und bewunderte. In den drei Büchern seines Erstlingswerks Amores (Die Liebeselegien), das zwischen 23 und 16 v. Chr. entstand, aber erst um das Jahr 2 n. Chr. erschien, versammelte er 50 Liebeselegien um eine fiktive Geliebte namens Corinna. Dabei verzichtete er nahezu gänzlich auf überschwängliches Pathos und setzte sich selbst in der Rolle des witzig-überlegenen, genießenden Liebhabers ein Denkmal. Ovids Interesse an der griechischen Sagenwelt spiegelt sich bereits in Heroides (oder Epistulae Heroidum; erschienen um 10 v. Chr.), eine Sammlung fiktiver Liebesbriefe in elegischem Versmaß. Das Werk, das sich durch meisterhafte Charakterstudien auszeichnet, enthält 21 Korrespondenzen von Heldinnen und Helden der griechischen bzw. römischen Mythologie (so schreibt Penelope an Odysseus, Paris an Helena, Ariadne an Theseus und Dido an Aeneas). Weitere Frühwerke Ovids sind Lehrgedichte, allen voran die formvollendet-graziöse Ars amatoria (Liebeskunst), ein galant-erotisches Meisterwerk über die Kunst der Verführung und Liebe, das um das Jahr 1 v. Chr. erschienen ist. Darauf folgten De medicamine faciei, ein fragmentarisches Gedicht über Kosmetik, und Remedia amoris (Heilmittel gegen die Liebe) als ironischer Widerruf der Ars amatoria. Die von Autoren der Antike hoch gelobte Tragödie Medea ging bis auf wenige überlieferte Zeilen verloren.

 

Mittlere Schaffenszeit und Exil

In seiner mittleren Schaffensphase schrieb Ovid die Metamorphosen (Verwandlungen), ein Versepos in 15 Büchern zu je 700 bis 900 Hexametern, das rund 250 Verwandlungssagen aus der griechischen und römischen Mythologie enthält. Das Epos beginnt mit der Schöpfung des Universums und endet mit dem Tod und der Vergöttlichung Julius Caesars. Viele der Erzählungen stellen die Beziehung zwischen Sterblichen und Göttern dar oder beschreiben die Folgen von Gehorsam oder Ungehorsam, wobei die Menschen durch eine Verwandlung entweder bestraft oder belohnt werden. In den Metamorphoses nahm Ovid die erotische Thematik des Frühwerks wieder auf; hier tritt Ovids universale, auf kosmisch-erhabene Erzählkunst abzielende stilistische Fähigkeit am deutlichsten zum Vorschein. Das Werk wurde als Handbuch der griechischen Mythologie zum Kompendium nachfolgender Generationen: Aus dem Mittelalter, in dem das Werk zu den meistgelesenen Schriften der Antike zählte, sind rund 150 Abschriften und deutsche Übersetzungen erhalten. Das zweite bedeutende Werk der mittleren Schaffenszeit Ovids sind die Fasti (entstanden zwischen 2 und 8 n. Chr.), ein poetischer Festkalender in elegischen Distichen, der die römischen Feste und die mit ihnen verknüpften Sagen beschreibt und bestimmte kultische Rituale erläutert. Von den geplanten zwölf Büchern, eines für jeden Monat des Jahres, wurden allerdings nur die ersten sechs vollendet.

Die Werke aus Ovids Exilzeit sind durchdrungen von resignativer Melancholie und Hoffnung auf eine mögliche Rückkehr nach Rom. Zu den bedeutendsten zählen die Tristia, Klagelieder in fünf Büchern, die das unglückliche Leben in Tomis beschreiben und an die Barmherzigkeit des Kaiserhauses appellieren, sowie die immer mehr ins Zentrum der Forschung rückenden Epistulae ex Ponto (Briefe vom Schwarzen Meer), vier Bücher mit in Gedichtform abgefassten Briefen über das eigene Schicksal. Weiterhin entstanden die Schmähschrift Ibis (nach einer Polemik des Kallimachos) und das nur noch fragmentarisch erhaltene Gedicht Halieutica. Mit Ausnahme der Metamorphoses und der fragmentarischen Halieutica, die beide in daktylischen Hexametern geschrieben sind, ist die gesamte Dichtung Ovids in elegischen Distichen verfasst, einem Versmaß, das er zur Vollkommenheit führte.

 

Nachwirkung

Obwohl Kaiser Augustus Ovids Werke nach dessen Tod aus den öffentlichen Bibliotheken entfernen ließ, konnte er den Nachruhm des Dichters nicht verhindern. Sein Schaffen hatte u. a. großen Einfluss auf die Literatur des Mittelalters, so z. B. auf den Roman de la Rose, der sein Konzept ritterlicher Minne nach dem Vorbild der Ovid’schen Liebeselegien entwickelte. Während der Renaissance fanden Autoren wie Ludovico Ariosto, Giovanni Boccaccio und Geoffrey Chaucer in den mythologischen Erzählungen Ovids den Stoff für zahlreiche ihrer Novellen. Nachhaltig wurde auch die Dichtung von William Shakespeare und John Milton von seinem Werk geprägt. Im Barock (Hofmann von Hofmannswaldau) und in der Romantik (Herder) verstärkte sich die Ovid-Rezeption neuerlich. Vermutlich wurde auch Goethes morphologisches Weltbild von seiner Lektüre der Metamorphosen beeinflusst. 1988 verarbeitete Christoph Ransmayr die Verbannung Ovids ans Schwarze Meer in seinem postmodernen Romanepos Die letzte Welt.

Am nachhaltigsten zeigte sich die Ovid-Verehrung im so genannten Pseudo-Ovid, einer Form der Dichtung, die vom tatsächlichen Verfasser oder von späteren Kopisten dem römischen Dichter zugeschrieben wurde. Dokumente dieser Art finden sich vor allem im Mittelalter, besonders im 12. und 13. Jahrhundert, sind allerdings bereits seit der Antike (Nux) überliefert. Am skurrilsten ist wohl das angeblich im Grab Ovids gefundene neuaristotelische Religionsepos De vetula. Von einem französischen Geistlichen um 1250 geschrieben, schildert es die Bekehrung des "heidnischen" Dichters zum Christentum und entwirft vor diesem Hintergrund ein zwischen Naturwissenschaft und Theologie vermittelndes Welt- und Menschenbild.

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