Leistungskurs Erdkunde besucht Tagung der „Projektgruppe Globales Lernen Rheinland-Pfalz“ zum Thema Mikrokreditfinanzierung
16.12.2012
Am letzten Dienstag vor den Ferien machte sich der Leistungskurs Erdkunde von Herrn Kämpf auf den Weg nach Trier, um dort an einer Tagung der „Projektgruppe Globales Lernen Rheinland-Pfalz“ in Kooperation mit der Universität Trier im Rahmen des Kultusministerkonferenzprojekts zur Umsetzung des Orientierungsrahmens für den Fächerübergreifenden Lernbereich Globale Entwicklung teilzunehmen. Schwerpunkt dieser Veranstaltung war das Thema „Mikrokreditfinanzierung“ und die damit einhergehende und auch berechtigte Frage, ob diese denn eine geeignete Methode zur Armutsbekämpfung sei.
Mikrokredite sind Kleinkredite, welche jenen Menschen gewährt werden, die vom traditionellen Bankensektor vernachlässigt werden. Dazu zählt etwa die Gemüsefrau im Slum Kibera in Nairobi, die mittels eines Mikrokredits ihr Angebot diversifizieren und einen Laden außerhalb des Slums eröffnen kann. Ein Mikrokredit kann der Auslöser sein, um mehr Beschäftigungsmöglichkeiten zu schaffen, zusätzliche Einkommen zu generieren und eine sozio-ökonomische Entwicklung zu fördern.
Es mehren sich aber auch kritische Töne. Insbesondere die Grameen-Bank aus Bangladesch und ihr Grüner, Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus geraten zunehmend in Kritik.
Die Tagung stellte Chancen und Risiken der Mikrofinanzierung äußerst interessant und lebendig dar.
Nach dem Grußwort des Präsidenten der Universität Trier, Prof. Dr. Michael Jäckel, erhielten die Teilnehmer einen in die Thematik einführenden Vortrag durch Andreas Eberth, der selbst in Nairobi war und dort mit der Thematik in Kontakt kam. Darauf aufbauend verfasste er seine Diplomarbeit. Nichts Neues hieß es allerdings für den Großteil der LK‘ler, da diese Grundlagen bereits vor der eigenen Kreditvergabe Anfang Dezember (siehe Bericht) bereits im Unterricht erarbeitet wurden. Jedoch zeigten sich die Schüler überrascht wie viel sie tatsächlich von den Inhalten einer Diplomarbeit verstanden … und erkannten den Sinn eines fachbegriffsorientiertem Erdkundeunterrichts.
In einem weiteren Vortrag stellten Dr. Johannes Michael Nebe und Dipl.-Volksw. Julian Frede (Universität Trier) sowie deren Studierendengruppe Forschungsergebnisse zum Thema Mikrofinanzierung in Kenia vor. Dabei wurde die Mikrokreditfinanzierung insgesamt als positiv bewertet. Besonders spannend war die Information, dass man mit Hilfe einiger NGOs zurzeit eine „schufaähnliche“ Institution einrichtet, um die Kreditrückzahlung mit Hilfe eines weiteren Kredits zu verhindern. Zudem lernte man das afrikanische Bankensystem kennen. Dieses funktioniert über das Handynetz. Dabei kann Geld am Kiosk um der Ecke per sms überwiesen werden. An diesem Beispiel wird die aufholende Entwicklung in einigen Entwicklungsländern deutlich. Denn die Einrichtung einer teuren Telekommunikatiosinfrastruktur mittels Telefonleitungen wird einfach übersprungen und durch die bereits ausgereifte und daher erschwingliche mobile Telefonie ersetzt.
Der letzte Vortrag an diesem Nachmittag wurde seitens Gerhard Klas, Journalist und Autor des Buches "Die Mikrofinanz-Industrie - Die große Illusion oder das Geschäft mit der Armut" gehalten, welcher der Thematik äußerst kritisch gegenüber steht. Gerhard Klas hat für sein anschauliches Buch lange in Bangladesch recherchiert. So stellt er die Systemfrage, vor dem Hintergrund der weltweiten Mikrofinanzbewegung. In seinen Ausführungen belegte er, dass Kredite grundsätzlich nicht in die Hände von Bürgern gehören, erst recht nicht wenn sie in Bangladesch leben. Kredite verschlimmern, so Klas, sogar die Lebensumstände der Menschen. Er traf dort auf Frauen, für die die Mikrokredite ein große Belastung geworden waren. Nicht wenige mussten ihr Hab und Gut verpfänden, ihre Kinder statt in die Schule zur Arbeit schicken, um die Kredite überhaupt bedienen zu können. Klas beschreibt wie kommerzielle Mikrofinanzanbieter die Notlage der Kreditnehmer in schamloser Weise ausnutzen und Wucherzinsen verlangen und so diese unverantwortlichen Profiteure eine Überschuldung einzelner Kreditnehmer erzeugen. Dieser sehr kritische aber einseitige Vortrag wurde von den Schülern nicht unreflektiert hingenommen. So vermisste man doch auch Fakten, die in offiziellen Studien auftauchen und das Gegenteil beweisen. So geben 89% der Mikrokreditnehmer an, dass ihnen die Finanzierung geholfen hat. So sieht die Lebenswirklichkeit der Menschen für die faire Kredite entscheidend sind, eben anders aus als sie Herr Klas sehr ideologisch beschreibt. Auch wurde angemerkt, dass seine Untersuchungen in Bangladesch nicht auf die zuvor vorgestellte Situation in Kenia übertragbar seien und es daher nicht gerechtfertigt sei, Mikrokredite grundsätzlich zu verteufeln. Nicht unerheblich erschien auch das Fehlen von Alternativen. Gerne hätten die Teilnehmer erfahren, was man stattdessen tun kann, ob tatsächlich alle Mikrokreditfinanzierer „böse“ sind oder ob es nicht doch jene gibt, denen man im Sinne einer nachhaltigen Armutsbekämpfung sein Geld anvertrauen kann.
Für alle Beteiligten war der Besuch in Trier zum Schulzeitende sicherlich ein bereicherndes und interessantes Erlebnis und gab zudem einen sonst kaum möglichen Ausblick in das universitäre Leben. Selten erlebt man Präsidenten, Professoren, Doktoren, Diplomanten, Studierende und renommierte Journalisten in einen wissenschaftlichen Diskurs und erfährt so was es heißt zu „studieren“. (Kämpf StR)