Austausch Thionville – Adenau
(25.10.2017 | Lotta Nikolayczik, 9b)
Alles begann mit einem rosafarbenen Formular, das Frau Jaax mit vielen anderen Anfang Februar diesen Jahres in unserer Klasse verteilte. Auf diesen Formularen waren Fotos von vielen französischen Schülern abgebildet, von denen eine meine Austauschschülerin werden sollte.
Ende Mai war es dann soweit: Nach einigen Absprachen mit ihrer und meiner Schule kam Maud, meine Austauschschülerin, endlich zu uns. Sie begleitete mich überall hin – in die Schule, die Musikschule und zu meinen Freunden. Nach kurzer Zeit hatte man sich an uns als Doppelpack gewöhnt und Maud war eigentlich nicht mehr wegzudenken. Mit ihrer offenen, freundlichen Art und ihren hervorragenden Deutschkenntnissen fand sie sich schnell in der Klassengemeinschaft ein und hielt sogar ein Referat mit uns. Dank ihr gewann ich ganz neue Einblicke in meinen eigenen Schulalltag, die mir sonst wohl nie entdeckt hätte. Sie fügte sich so in unser Familienleben ein, als ob sie schon immer da gewesen wäre und als sie nach drei Wochen wieder nach Hause fuhr, merkten wir alle, dass irgendetwas fehlte.
Schließlich ging die Zeit bis zu unserem Wiedersehen schneller um, als gedacht. Im September
fuhr dann auch ich für drei Wochen nach Frankreich. Anfangs rechnete ich mir zwar noch aus, wie lange es noch dauern würde, bis ich wieder zuhause sein würde, doch dieser Anflug von Heimweh ging vorüber, denn schnell stellte sich heraus, dass ich schlichtweg keine Zeit haben würde, mir Sorgen zu machen , da ich 80 Prozent meiner Zeit in der Schule verbringen sollte.
Maud hatte mir zwar schon vom französischen Schulsystem erzählt, doch dass es eine derartige Bedeutung für französische Teenager spielte, hatte ich mir nicht ausreichend bewusst gemacht:
Die Schule begann jeden Tag um acht Uhr und endete frühestens um halb vier am Nachmittag – ein Arbeitsrythmus, an den ich überhaupt nicht gewöhnt war. Ebenso der Unterricht an sich: Die meiste Zeit sprach nur der Lehrer und im äußersten Fall wurde auch einfach diktiert – das Lernen überließ man den Schülern, was diese dann zusätzlich zu ihren Hausaufgaben bewältigen mussten. Nicht nur, dass bedeutend mehr gearbeitet wurde, sondern auch die Art der Lehrer unterscheidet sich vollkommen von der der unseren. Während die Lehrer bei uns sowohl die Unterrichtsinhalte vermitteln, als auch unsere schulischen Probleme angehen und sich auch bei privaten Anliegen um ihre Schüler kümmern, ist und bleibt der französische Lehrer eine Lehrperson mit ausschließlich dieser Aufgabe. Unterrichtsmaßnahmen wie das Vorrechnen an der Tafel vor der ganzen Klasse mit Benotung und anschließender Manöverkritik brachten sogar eine Schülerin zum Weinen.
Diese Weise des Unterrichts erschien mir aus der Perspektive einer Schülerin fremd und auch teilweise abstoßend, doch insgesamt begegnete ich in Frankreich durchweg freundlichen, weltoffenen Menschen, die mich behandelten wie ein alteingesessenes Mitglied ihrer Gemeinschaft, und das nicht nur in der Familie meiner Austauschschülerin, sondern auch bei ihren Freunden und in ihrer Klasse.
Ich habe in Frankreich viele Erfahrungen der unterschiedlichsten Art gemacht - betraf es das Zusammenleben, das Essen oder das Staatswesen, aber ich würde nicht sagen, dass eine schlechte dabei gewesen ist. Zwar erscheint mir manches kritikfähig oder unnütz, doch habe ich dadurch eine neue Haltung gegenüber vielen Dingen einnehmen können. Das gilt im Besonderen für meine Schule. Ich kann nicht sagen, dass ich vor meinem Frankreich – Aufenthalt ungern zur Schule gegangen bin, doch danach war ich sehr froh wieder dort zu sein und auf eine einfache und unkomplizierte Art genauso viel oder sogar mehr zu lernen als französische Schüler. Diese Wertschätzung für das, was man selbst jeden Tag erlebt, hätte ich so wahrscheinlich nie bekommen.
Und das ist, was mich am meisten vom Austausch überzeugt hat: Einfach mal für nicht allzu lange Zeit aus dem gewöhnten Trott heraus kommen und sehen, wie es wo anders funktioniert. Und gerade hier auf dem Land, wo man, es lässt sich nicht leugnen, nun mal nicht alles machen kann, ist, so finde ich, jede Gelegenheit etwas Neues auszuprobieren goldwert und sie sollte auch genutzt werden. Noch dazu ist es meiner Meinung nach die authentischste Art, eine Sprache zu lernen. Auch meine Motivation ist durch den Austausch eine andere: Wir reden im Französisch – Unterricht oft von Französisch als lebendige Sprache im Gegensatz zu Latein. Genau das ist für mich jetzt viel greifbarer als vorher und somit ist das Interesse für neue Wörter und Ausdrucksweisen viel größer.
Auf einmal ist verständlich, wofür wir mehr als 600 Vokabeln lernen, manchmal mühseliges Aussprache - Training machen und auch schon mal ganze Stunden dafür verwendet werden, sich nur über Unterschiede zwischen der deutschen und französischen Kultur zu informieren, z. Bsp. das Essen, die Sicherheitspolitik und das Wahlsystem. Es wird klar, dass Sprachen in der Schule mehr ein Angebot als ein Schulfach ist. Als Schüler kann man dieses Angebot wahrnehmen oder auch nicht. Was man dann davon hat, wird man spätestens merken, wenn man zu mehr in der Lage ist, als nur einen korrekten Satz zu sprechen und die Verständigung nur mit Hand und Fuß funktioniert, wenn sie es überhaupt tut.
Abschließend ist der Austausch eine einmalige Chance, die so vielen Leuten wie möglich wahrgenommen werden sollte. Ich persönlich würde mich freuen, wenn sich ein längerer Austausch wie dieser am EKG etablieren würde und Französisch eine größere Rolle in unserem ( Schul - ) Alltag bekäme.